Autobiografien – die ersten Sätze, Teil 2

 

Meine Autobiografie schreiben – wie fange ich an?

Fast hätte ich ihn vergessen: Erich Kästner! Dabei liebe ich die Erinnerungen an seine Kindheit ganz besonders: Als ich ein kleiner Junge war.

Aber dieses Buch steht bzw. stand in meinen Regalen an einem falschen Platz – nämlich weder bei den Autobiografien noch bei den Biografien, sondern bei Kästner zwischen „Zwei Männer im Schnee“ und „Fabian“, ein Platz also, an den es nach meinem gedachten Ordnungssystem eigentlich gar nicht gehört.

Bekanntlich bevorzugte Erich Kästner Vorworte, Schlussworte und „Nachdenkereien“ zwischen den Kapiteln.

Zumindest bei seinen berühmten Kinderbüchern ging er sehr großzügig mit Vorworten um, nach meiner Kenntnis hat lediglich „Das doppelte Lottchen“ keines abbekommen, dafür hat „Emil und die drei Zwillinge“ gleich zwei.

Wie auch immer: Kästners Kindheitserinnerungen beginnen jedenfalls mit einem (langen) Vorwort – betitelt mit „Kein Buch ohne Vorwort“.

Aber das spare ich mir hier und beginne gleich mit dem ersten Kapitel. d. h. mit dem eigentlichen Anfang seiner Autobiografie. Und weil der Text so gut ist, beschränke ich mich dieses Mal ausnahmsweise nicht auf die ersten drei Sätze:

„Wer von sich selbst zu erzählen beginnt, beginnt meist mit ganz anderen Leuten. Mit Menschen, die er nie gesehen hat und nie gesehen haben kann. Mit Menschen, die er nie getroffen hat und niemals treffen wird. Mit Menschen, die längst tot sind und von denen er fast gar nichts weiß. Wer von sich selber zu erzählen beginnt, beginnt meist mit seinen Vorfahren.

Das ist begreiflich. Denn ohne die Vorfahren wäre man im Ozeane der Zeit, wie ein Schiffbrüchiger auf einer winzigen und unbewohnten Insel, ganz allein. Mutterseelenallein. Großmutterseelenallein. Urgroßmutterseelenallein. Durch unsere Vorfahren sind wir mit der Vergangenheit verwandt und seit Jahrhunderten verschwistert und verschwägert. Und eines Tages werden wir selber Vorfahren geworden sein. Für Menschen, die heute noch nicht geboren und trotzdem schon mit uns verwandt sind.

Die Chinesen errichteten in früheren Zeiten ihren Ahnen Hausaltäre, knieten davor nieder und besannen sich auf die Zusammenhänge. Der Kaiser und der Mandarin, der Kaufmann und der Kuli, jeder besann sich darauf, dass er nicht nur der Kaiser oder ein Kuli, sondern auch das einzelne Glied einer unzerreißbaren Kette war und sogar nach seinem Tode bleiben würde. Mochte die Kette nun aus Gold, aus Perlen oder nur aus Glas, mochten die Ahnen Söhne des Himmels, Ritter oder nur Torhüter sein – allein war keiner. So stolz oder so arm war niemand.

Doch wir wollen nicht feierlich werden. Wir sind, ob es uns gefällt der nicht, keine Chinesen. Drum will ich meinen Vorfahren auch keinen Hausaltar bauen, sondern nur ein klein wenig von ihnen erzählen …“

Ist das nicht ein wunderbarer Einstieg für eine Autobiografie? Vielleicht mache ich ja irgendjemandem da draußen in diesem riesigen World Wide Web Lust darauf, dieses Buch endlich mal oder wieder einmal zu lesen? Oder jemand wird angeregt, darüber nachzudenken, ob ihm für seine Lebenserinnerungen nicht zumindest so ein ähnlich kluger, fantasievoller, geschickter, witziger Beginn einfallen könnte.

Ihnen will kein guter Anfang für Ihre Autobiografie einfallen? Lassen Sie sich deshalb nicht aus der Ruhe bringen, beginnen Sie einfach mit Ihrer Einschulung. Oder beschreiben Sie Ihr erstes Zuhause. Oder erzählen Sie erst mal irgendeine andere Geschichte aus Ihrem Leben oder dem Ihrer Vorfahren. Die Hauptsache ist, dass Sie schreiben, dass Sie „im Fluss bleiben“, dass Sie vorankommen. Einen geeigneten Einstieg für Ihre Autobiografie können Sie ja jederzeit „nachliefern“!

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Marianne Hollmann-Wobschall

Dipl. rer. pol., Poesiepädagogin, Autorin, Ghostwriterin, Biografin, Lektorin, Schreibcoach,

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